1.11.10

Wunder

Gestern war wieder so ein besonderer Tag für mich. Ich habe beruflich viel mit Menschen zu tun und oft kommen Paare zu mir, um Tickets zu kaufen. Manche plaudern aus dem Nähkästchen und bei anderen kann man zwischen den Zeilen gut beobachten.

Gestern war da dieses Paar, weit über 80 Jahre alt, das sich die ganze Zeit an den Händen hielt und nur kurz beim Kartenkauf losließ. Dann drehten sie sich um, nahmen einander bei der Hand und gingen langsam weg, er, der Größere, die eine Schulter leicht nach unten gebeugt und sie, die Kleinere, die Schulter leicht nach oben – man konnte sehen, dass sie immer so gehen, er rechts, sie links und Hand in Hand. Durchs Leben. Schön war das. Dann der Kontrast: Ein Paar, bei dem eindeutig sie die Schlappen anhat – macht ihn nieder, kein Platz ist ihr genehm, bezahlen darf er aber – und er ist die ganze Zeit total nett und freundlich und scheint das Gift an sich abprallen zu lassen. Oder das Paar, bei dem beide lächeln und er ihr zuliebe in ein Ballett geht, obwohl er keine große Lust dazu hat, die dann aber nochmal zurückkommen, um zusätzlich eine Veranstaltung zu buchen, die beiden gefällt und die er sogar ausdrücklich bezahlt und ihren Geldschein an sie zurückgibt, weil er ihr damit eine Freude machen will. Schön sind auch die Begegnungen mit den Menschen, die darum bitten, zum 60. Hochzeitstag die Karten an der Abendkasse abholen zu dürfen, weil der Partner überrascht werden und erst erfahren soll, was sie unternehmen, wenn er vorm Saal steht – in dem man sich kennen gelernt hat und die dann strahlend vor einem stehen und diese Geschichte mit mir teilen. Traurig die Frau, die erzählt, wie ihr Mann kürzlich verstorben ist und sie nun das erste Mal wieder das Theater besuchen – es ver-suchen möchte. Die danach wiederkommt und sagt, sie habe endlich wieder gelacht. Weil sie sich an die schönen Dinge erinnert hat. Und gleich weitere Vorstellungen bucht. Oder die Mutter, die für ihr Kind Tickets für eine Kindervorstellung kauft und sich dabei total freut, dass sie auch mal wieder „Kind sein darf“. Und das Kind strahlt sie an, nach oben, und sie schaut hinunter in die Augen ihres Kindes und die Liebe spiegelt sich in ihnen.

Die Liebe ist ein Wunder. Jeden Tag.

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